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Ist "Gut Health" das neue "High Protein"? [Long Read]
Warum "Gut Health" mehr ist als ein Hype – und wie Präbiotika, Fermentation & funktionale Fasern das nächste große Ding im Food werden könnten.

Über Jahre hinweg stand Protein sinnbildlich für moderne Ernährung: es hatte was von gesund, kraftvoll und funktional. Man nehme ein Produkt aus einer willkürlichen Kategorie, fügte etwas mehr oder überhaupt etwas Protein hinzu - teils tierischen, teils pflanzlichen Ursprungs - und konnte ein paar Cent mehr dafür verlangen. Die Kund*innen dankten es einem mit dem vermeidlichen Wissen, etwas für ihre Gesundheit getan zu haben.
Jetzt rückt ein neues Thema in den Fokus – komplexer, tiefgreifender und mit mindestens ebenso viel Potenzial: die Gesundheit des Darms. Oder besser gesagt: Gut Health.
Und genau hier beginnt das Problem: Denn während „High Protein“ wie ein Leistungsversprechen klingt, klingt „Darmgesundheit“ wie eine Diagnose. Sperrig, irgendwie unangenehm – und im Deutschen oft zu nah am Magen-Darm-Trakt.
Dabei ist der gesellschaftliche Trend längst da: TikTok-Feeds voll von „Happy Gut“-Rezepten, fermentierte Lebensmittel als Wellness-Produkt, Millionenumsätze mit Probiotika und präbiotischen Sodas.
Nur: Was hier boomt, wird selten richtig verstanden. Begriffe wie Präbiotika, Probiotika, Mikrobiom und Ballaststoffe verschwimmen im Alltag – und werden oftmals fehlinterpretiert.
5 Take-aways vorab:
Präbiotika und Probiotika wirken unterschiedlich – werden aber kaum auseinandergehalten.
„Darmgesundheit“ ist ein sperriges, kulturell aufgeladenes Konzept – „Gut Health“ funktioniert besser.
Die Marktmechanik ähnelt dem Protein-Boom: klare Nutzenversprechen, funktionale Claims und Lifestyle-Kompatibilität.
Das Thema bietet Mehrwert für Gesundheit, Nachhaltigkeit und Performance – bei vergleichsweise niedriger Eintrittshürde.
Wer den Code „Gut Health“ knackt, spielt morgen in einer eigenen Liga – unabhängig von Milchsäurebakterien und Ballaststoffgehalt.
1. Was ist Gut Health – und warum ist der Begriff so schwer zu greifen?
In der Fachliteratur ist die Unterscheidung eindeutig:
Präbiotika sind fermentierbare Ballaststoffe, die nützliche Bakterien im Darm füttern.
Probiotika sind lebende Mikroorganismen, die dem Körper zugeführt werden – meist über fermentierte Lebensmittel oder Kapseln.
Synbiotika kombinieren beides.
Doch diese Begriffswelt bietet von Natur aus Verwechslungsgafahr: Die einen denken bei Probiotika an Actimel. Die anderen halten Ballaststoffe für Altlasten der Vollwertkost. Und wer von „Mikrobiom“ spricht, wird oft nur verständnislos angeschaut.
Die Folge: „Darmgesundheit“ bleibt ein diffuser Begriff, gefüllt mit medizinischen Assoziationen – und selten mit Lust oder Lifestyle.
In den USA und UK ist man weiter. Dort hat sich der Begriff „Gut Health“ etabliert – als positiv konnotiertes, griffiges Schlagwort.
Er steht nicht für Verdauungsprobleme, sondern für innere Balance, ein gutes Bauchgefühl, mentale Stabilität und ein starkes Immunsystem.
Er erlaubt funktionale Innovationen – ohne erklärungsbedürftige Fachbegriffe.
Deshalb gilt:
Nicht Präbiotika oder Probiotika sind der eigentliche Trend.
Es ist die neue, holistische Erzählung von Gut Health – und ihr Potenzial als Lifestyle-Code.
2. Vom Nischenkonzept zur Wellness-Währung
Lange Zeit galt der Darm als das unsichtbare Organ – irgendwie funktional, aber tabuisiert. Selbst gesundheitlich interessierte Menschen machten einen Bogen um das Thema, von der Werbung ganz zu schweigen. Doch das hat sich geändert. Und zwar deutlich.
In den 1990er-Jahren tauchten erste wissenschaftliche Arbeiten auf, die zeigten: Die Zusammensetzung der Darmflora beeinflusst weit mehr als die Verdauung. Heute wissen wir: Das Mikrobiom spielt eine Rolle bei Immunabwehr, Entzündungsregulation, Insulinsensitivität, sogar bei Depressionen und Demenz.
Die Fachliteratur ist inzwischen kaum noch überschaubar – und dennoch blieb der Transfer in die Alltagskultur lange aus.
Das änderte sich im deutschprachigen Raum mit dem Bestseller „Darm mit Charme“ von Giulia Endersaus dem Jahr 2014. Das Buch machte den Darm salonfähig – nicht durch Wissenschaft, sondern durch Humor. Es war der erste Schritt in Richtung gesellschaftlicher Enttabuisierung.
Doch erst die Kombination aus Social Media, Selbstoptimierung und post-pandemischer Gesundheitsfokussierung hat das Thema endgültig befeuert.
Heute ist das Mikrobiom zum Symbol einer ganzheitlichen Gesundheitskultur geworden – ähnlich wie Protein einst für Fitness und Leistungsfähigkeit stand. Nur: der Claim fehlt noch. Es gibt kein „High Gut“, kein „Strong Microbiome“, keine einheitliche Kommunikationsformel.
Darin liegt die Chance.
3. Die fünf Treiber hinter dem Gut-Health-Boom
1. Neue Gesundheitsbilder
Gesundheit wird heute nicht mehr nur als Abwesenheit von Krankheit verstanden – sondern als Resilienz, Energie und Balance. Der Darm steht im Zentrum dieser Neuinterpretation. In Umfragen nennen Konsumentinnen und Konsumenten Verdauung, Immunsystem und mentale Stabilität als Top-Gesundheitswünsche – alle drei eng mit dem Mikrobiom verknüpft.
2. TikTok, #GutTok und Influencer-Medizin
Der Hashtag #guthealth hat auf TikTok über 5 Milliarden Aufrufe. Creator*innen sprechen über Darmbalance wie früher über Hautpflege. Empfehlungen für probiotische Shots, fermentierte Snacks oder präbiotische Drinks verbreiten sich in Echtzeit – häufig emotionaler als medizinisch korrekt, aber dafür mit enormer Reichweite.
3. Das GLP-1-Phänomen
Semaglutid-basierte Medikamente wie Ozempic oder Wegovy haben die Diskussion um Blutzucker, Sättigung und metabolische Gesundheit neu entfacht. Und auch hier kommt das Mikrobiom ins Spiel: Studien zeigen, dass bestimmte Darmbakterien die Wirkung von GLP-1 beeinflussen – und umgekehrt.
4. Technologische Fortschritte
Mikrobiomanalysen werden günstiger und besser. Gleichzeitig entstehen neue Ingredient-Klassen wie Postbiotika, synbiotische Formeln oder fermentierte Faserkomplexe. Die Pipeline ist voll – sowohl im Food- als auch im Supplement-Bereich.
5. Ernährungstrends treffen auf Wissenschaft
Fermentierte Lebensmittel, funktionelle Fasern, pflanzenbasierte Ernährung – all das hat in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen. Und genau dort lassen sich prä- und probiotische Konzepte glaubwürdig integrieren. Produkte wie Kefir, Kombucha oder sogar fermentierte Pasta (siehe Fermentelli) liefern Health Benefits ohne erklärungsbedürftige Zutatenliste.
4. Marktpotenzial: Ein Milliardenfeld ohne dominante Kulturmarke
Der globale Markt für präbiotische und probiotische Produkte ist längst mehr als ein Geheimtipp – und trotzdem weitgehend fragmentiert.
Laut Global Market Insights soll der Markt für Präbiotika bis 2030 auf über 15 Milliarden US-Dollar wachsen, bei jährlichen Wachstumsraten von 10–12 %. Auch der Markt für Probiotika expandiert weiter – getrieben von Functional Beverages, Supplements und Everyday-Formaten wie Riegeln, Cerealien oder Drinks.
Es gibt zwar etablierte Player – z.B. Activia oder Yakult – die seit Jahren den Digestive-Health-Markt besetzen. Aber bislang agiert keine von ihnen als kulturelle Leitmarke.
Ein „Red Bull der Gut Health“. Eine Marke, die den Nerv trifft, den Alltag prägt und sich nicht hinter Studien, sondern vor Menschen positioniert.
Das Milliardenfeld ist da – und es ist offen. Wer es schafft, Health-Nutzen mit Design, Sprache und Produktlogik zu verbinden, kann diese Kategorie definieren.
5. Vom Rohstoff bis zur Rendite: Wie Gut Health wirtschaftlich funktioniert
Was „High Protein“ vorgemacht hat, kann sich im Bereich „Gut Health“ wiederholen: ein funktionaler Gesundheitsnutzen, der gleichzeitig absatzstark, margenfähig und markenbildend ist.
Drei Gründe, warum das Geschäftsmodell funktioniert:
1. Günstiger Rohstoff – hoher Nutzen:
Präbiotika wie Inulin, FOS oder resistente Stärke sind in ihrer Herstellung vergleichsweise günstig, pflanzlich und oft sogar upcycled – etwa aus Chicoréewurzeln oder Getreideresten.
Auch fermentierte Produkte profitieren von natürlichen Prozessen, bei denen keine aufwendige Extraktion oder Kühlung nötig ist.
2. Flexible Integration:
Ob Functional Soda, Riegel, Pasta oder Joghurt – der Health Benefit „gut für den Darm“ lässt sich in bestehende Produkte integrieren. Dadurch entstehen keine komplett neuen Verzehranlässe, sondern sinnvolle Upgrades.
3. Health Halo meets Convenience:
Produkte mit dem Label „darmfreundlich“ oder „gut für das Mikrobiom“ profitieren vom wachsenden Wunsch nach präventiver Gesundheit – ohne auf pharmazeutische Verpackung oder ärztliche Empfehlung angewiesen zu sein.
Wer profitiert besonders?
Retail Brands, die funktionale Differenzierung suchen
Startups, die Storytelling und Community-Building beherrschen
Private Label, die im Bereich „functional“ eigene Linien aufbauen können
Food Service, der sich über Health Claims positionieren möchte
D2C Supplement Brands, die den Direktkontakt zu Konsumentinnen und Konsumenten nutzen können
6. Zwischen Claims und Klarheit: Das regulatorische Spielfeld
Was es immer zu beachten gilt: Funktionale Lebensmittel bewegen sich oft im Spannungsfeld zwischen wissenschaftlichem Anspruch und rechtlicher Grenze. Bei „Gut Health“ ist das nicht anders – aber unter dem Strich einfacher als viele denken.
Was geht?
Der Claim „Ballaststoffquelle“ ist EU-weit geregelt: Ab 3 g pro 100 g (oder 1,5 g pro 100 kcal) darf dieser Hinweis geführt werden.
Auch Begriffe wie „präbiotisch“ oder „darmfreundlich“ sind nicht verboten – sie fallen in die Grauzone sogenannter „weicher Claims“, solange keine direkten Heilversprechen gemacht werden.
In den USA ist die Regulierung offener – hier lassen sich Begriffe wie „supports digestive health“ oder „feeds your good bacteria“ oft unproblematisch nutzen.
Was ist sensibel?
Die Begriffe „probiotisch“ und „gesundheitsfördernd“ unterliegen in der EU strengerer Prüfung – hier ist die EFSA (European Food Safety Authority) restriktiv.
Gesundheitsversprechen auf Mikrobiom-Ebene sind bislang nicht als offizielle Health Claims anerkannt – was allerdings nicht bedeutet, dass sie verboten wären, solange sie nicht als heilend dargestellt werden.
7. Marken im Vormarsch: Wer Gut Health heute schon kann
Der Trend ist kein theoretisches Konstrukt mehr – er wird längst gelebt. Und zwar von Marken, die zeigen, wie sich Darmgesundheit in eine überzeugende Markenwelt übersetzen lässt.
Was auffällt: Das Thema kann sich in fast jeder Kategorie abspielen.
🧃 OLIPOP (USA)
Prebiotic Soda, stylisch verpackt, mit 9 g Ballaststoffen pro Dose. Statt funktionale Langeweile gibt’s Popkultur, 90s-Nostalgie und bunte Sorten wie „Strawberry Vanilla“ oder „Banana Cream“.
Der Geschmack ist Mainstream, der Zusatznutzen clever erklärt. OLIPOP ist längst eine Love Brand mit über 200 Mio. Dollar Funding.
🍝 Fermentelli (USA)
Die Marke Fermentelli Pasta stammt aus den USA – gegründet von Jordan Fainberg unter dem Dach der Pinsa‑Love-Marke. Ausgehend von fermentierten Pinsa-Teigen entwickelte er eine 72‑stündige Kaltfermentation für Pasta – ein Verfahren, das sich noch als industriell außergewöhnlich erweist. Die Pasta ist so zart, dass sie leichter verdaulich sein soll, ohne Blähungen und Völlegefühl – alles mit nur drei Inhaltsstoffen: Mehl, Wasser und Hefe. Das Konzept wird bewusst als echte Transformation, nicht als Zugabe von Kulturen oder Pulvern beworben.
🧬 Fairment (Deutschland)
Ursprünglich mit DIY-Fermenten gestartet, heute Anbieter von hochwertigen Sporen-Probiotika, Enzym-Formeln und der „Biom-Balance-Kur“.
Fairment versteht sich nicht nur als Produktanbieter, sondern als Bildungsmarke – mit Blog, Podcast, Aufklärungsvideos und viel Transparenz.
Auch wenn der Fokus auf Probiotika liegt, spielt das Unternehmen geschickt auf der Klaviatur des Mikrobiom-Trends – und öffnet damit das Feld für eine spätere Präbiotik-Erweiterung.
8. Was Konsumentinnen und Konsumenten wirklich wollen
Noch vor wenigen Jahren wurde Verdauung bestenfalls beiläufig kommuniziert – oft versteckt in Apotheken-Produkten oder im Kleingedruckten funktioneller Joghurts. Heute ist das anders:
„Bloat-free“, „de-bloating“, „gut-friendly“, „gut reset“ – wer sich in sozialen Netzwerken bewegt, merkt: Verdauung ist kein Tabuthema mehr. Sie wird zur Symbolik für Leichtigkeit, Wohlbefinden, Balance – körperlich wie mental.
Eine Erhebung von FMCG Gurus (2024) zeigt:
66 % der Befragten suchen regelmäßig nach Lebensmitteln, die ihre Verdauung fördern.
72 % geben an, die Begriffe Probiotika oder Präbiotika schon einmal gelesen zu haben. Nur 28 % können sie korrekt voneinander unterscheiden.
Drei Bedürfnisse stehen im Zentrum:
1. Spürbarer Effekt ohne Arztkontakt:
Menschen suchen keine Diagnose, sondern ein gutes Körpergefühl. Sie wollen sich „leichter“ fühlen, energiegeladener, entspannter. Produkte, die dieses Gefühl adressieren – ohne medizinischen Zeigefinger –, haben einen klaren Vorteil.
2. Natürlichkeit & Alltagstauglichkeit:
Präbiotische und fermentierte Produkte punkten durch Clean Label, minimale Zutatenlisten und handwerklich anmutende Prozesse. Im Gegensatz zu synthetischen Supplements wirken sie „ehrlich“ – das erhöht die Akzeptanz.
3. Orientierung statt Wissenschaft:
Begriffe wie Probiotika, Präbiotika oder Mikrobiom sind vielen zwar geläufig – aber selten klar zuordenbar. Was zählt, ist der Nutzen. Wer „gut for your gut“ oder „bloat-free“ verständlich und visuell anspricht, gewinnt.
Darmgesundheit wirkt – als Lifestyle-Erzählung. Vorausgesetzt, sie wird emotional aufgeladen, klar formuliert und in alltagstaugliche Produkte übersetzt. Genau wie es High Protein vorgemacht hat.
9. Marketing & Storytelling: Wie man Gut Health verkauft – ohne Verdauung zu sagen
Darmgesundheit ist wirksam, aber erklärungsbedürftig. Der Erfolg steht und fällt mit der Verpackung, der Tonalität – und der Fähigkeit, ein Tabuthema in einen Lifestyle-Code zu übersetzen.
Was funktioniert:
Visualität statt Anatomie:
Bauch-Icons, Pflanzenmotive, Mikrobenästhetik – aber bitte nicht medizinisch.
Beispiel: OLIPOPs „Vintage Health“-Look vermittelt Wohlgefühl statt Diagnose.
Emotionale Begriffe statt Fachvokabular:
„Balance“, „light“, „happy gut“, „bloat-free“, „feeling good from the inside out“ – funktionieren besser als „präbiotisch“ oder „Verdauungshilfe“.
Functional Claims, die keine Angst machen:
„Ballaststoffquelle“, „natürlich fermentiert“, „darmfreundlich“ – funktionieren, wenn sie nicht zu technisch, aber auch nicht esoterisch sind.
Storyselling statt Wirkversprechen:
Die Geschichte hinter dem Produkt macht den Unterschied: handwerklich fermentiert, mit traditionellen Techniken, inspiriert von japanischen Onsen oder italienischer Nonna – das funktioniert besser als klinische Studien im Kleingedruckten.
Was nicht funktioniert:
Zu klinisch: Weiß-blaues Verpackungsdesign, zu viele Claims, steriler Look – weckt Assoziationen zu Verdauungsbeschwerden.
Zu verspielt: Darm-Illustrationen mit Gesichtern oder Comic-Ästhetik – infantilisiert ein ernstzunehmendes Thema.
Zu abstrakt: „Mikrobiomoptimierung“ oder „fermentaktive Matrix“ – klingt kompliziert, nicht nach Alltag.
10. Chancen & Risiken: Zwischen Wachstumsschub und Übersättigung
Wie jeder Ernährungstrend birgt auch Gut Health strategische Fallstricke.
Zu viel versprochen, zu wenig erklärt – das kann nach hinten losgehen. Umso wichtiger: eine ehrliche Bewertung.
SWOT – in Kurzform:
🟢 Strengths
– Wissenschaftlich breit abgestützt
– Emotional aktivierbar (Balance, Energie, Wohlbefinden)
– Breite Einsatzfelder (Beverages, Snacks, Backwaren, Supplements)
– Nachhaltige Rohstoffoptionen
🟡 Weaknesses
– Begriffsverwirrung: Präbiotika vs. Probiotika vs. Synbiotika
– Unscharfe Kommunikation („Darmgesundheit“ ist schwer zu emotionalisieren)
– Fehlende Standards bei Dosierung und Wirkung
🔵 Opportunities
– Brücke zwischen Lifestyle und Health
– Ansprache einer Generation, die präventiv statt reaktiv denkt
– Differenzierungspotenzial für Food Brands im stagnierenden Supermarkt
🔴 Threats
– Regulatorische Eingriffe (EFSA, FDA)
– Wissenschaftsskepsis („Probiotika sind eh Placebo“)
– Übersättigung durch zu viele Copycats ohne echte Wirkung
Worst-Case?
Ein Hype ohne Substanz. Zu viele Produkte mit unklaren Versprechen könnten die Glaubwürdigkeit des ganzen Segments untergraben – so wie es einst bei Detox-Tees oder CBD im Food der Fall war.
Best-Case?
Eine neue Kategorie, die nicht nur kurzfristige Health Claims besetzt, sondern langfristig das Verständnis von Ernährung verändert – hin zu Prävention, Balance und individueller Verträglichkeit.
11. Zukunftsszenarien & Roadmap: Was kommt nach dem Blähbauch-Versprechen?
Gut Health steckt noch in den Kinderschuhen – nicht wissenschaftlich, aber kommunikativ. Die entscheidende Frage lautet: Wie wird aus einem Nischentrend eine neue Gesundheitslogik?
Drei Entwicklungspfade:
1. Von der Zutat zur Kategorie.
Aktuell ist „Gut Health“ noch oft ein Nebenaspekt – ein Add-on zu Soda, Riegeln oder Supplementen. Doch wie einst Protein könnte daraus eine eigene Warengruppe entstehen: Functional Food mit „Digestive Benefits“ als Kernnutzen.
→ Category Building statt bloßer Produktdiversifikation.
2. Personalisierung & Biomarker.
Das Mikrobiom ist bei jedem Menschen anders – und doch werden derzeit alle gleich angesprochen. Die nächste Stufe: Produkte, die gezielt auf Mikrobiom-Typen reagieren, auf Basis einfacher Tests oder App-gesteuerter Ernährungspläne.
3. Second-Wave-Innovationen: Postbiotics & mehr
Postbiotika – inaktive mikrobielle Stoffwechselprodukte – könnten eine neue Klasse funktionaler Zutaten werden: weniger regulatorisch belastet, stabiler, gezielter.
Und langfristig?
Gut Health könnte sich als Metapher für eine neue Form des Wohlbefindens etablieren – so wie früher Fitness, Clean Eating oder Mindfulness. Es ist nicht die eine Faser, nicht die eine Bakterienkultur – sondern ein System aus Ernährung, Wahrnehmung und Lifestyle. Wer das früh erkennt, kommunizieren kann und mit Substanz füllt, sichert sich einen Platz an der Spitze eines Trends, der gerade erst beginnt.
Fazit & Handlungsempfehlung: Was heißt das jetzt konkret?
Gut Health ist mehr als ein Trend – es ist ein Fenster in eine neue Ernährungslogik. Funktional, ganzheitlich, präventiv. Doch um dieses Potenzial zu heben, braucht es mehr als Bakterienkulturen und Ballaststoff-Claims.
👉 Für Marken heißt das:
Positioniere dich nicht als Verdauungshilfe, sondern als Lebensgefühl. „Gut Health“ ist keine Diagnose, sondern ein Versprechen – auf Balance, Energie, Wohlgefühl. Emotionalisierung schlägt Erklärung.
👉 Für Retailer heißt das:
Sorgt für Orientierung. Bündelt Produkte mit ähnlichem Nutzen, schafft eine neue Kategorie („Gut Friendly“, „Balance Food“, „Fermented & Functional“) und achtet auf visuelle Klarheit. Die Zielgruppe ist da – aber sie braucht Guidance.
👉 Für Investor:innen heißt das:
Setzt auf Marken mit Substanz. Der nächste Exit wird nicht aus einem One-Shot-Produkt entstehen, sondern aus Ökosystemen mit Community, Storytelling und Wissenschafts-Backbone. Wer heute richtig investiert, baut die nächste Gesundheitsplattform.
Und für alle anderen gilt:
Das Bauchgefühl war selten so wertvoll wie heute. Wer es versteht, wer es ernst nimmt, wer es modern übersetzen kann – der gestaltet die nächste Ernährungswelle mit.
Quellen:
Global Market Insights (2024): Prebiotics Market Size Report – https://www.gminsights.com
FMCG Gurus (2024): Gut Health & Consumer Perceptions Report – https://www.fmcggurus.com
Euromonitor International (2024): Digestive Health in Packaged Food – Global Outlook (nur lizenziert verfügbar)
Mintel GNPD: Claim-Analysen zu „Digestive Health“, „Fiber“, „Gut Health“ (nur lizenziert verfügbar)
ISAPP (2022): Consensus Statement on the Definition and Scope of Prebiotics – https://isappscience.org/definition-of-prebiotics/
Nature Reviews Microbiology (2023): Gut microbiota and health: bridging the evidence gap – https://www.nature.com
Sonnenburg, E. & Sonnenburg, J. (2014): The Good Gut (Buch, keine Website)
EFSA: EU Health Claims Register – https://ec.europa.eu/food/safety/labelling_nutrition/claims/register/public/
NIH Human Microbiome Project: https://hmpdacc.org/
Fermentelli: Unternehmenswebsite – https://www.fermentelli.com
Food Business News (2024): Fermented pasta, anyone? – https://www.foodbusinessnews.net/articles/27546-fermented-pasta-anyone
Fairment: Unternehmenswebsite – https://www.fairment.de
OLIPOP: Unternehmenswebsite – https://www.drinkolipop.com
Crunchbase: Funding-Daten zu OLIPOP, Seed, Viome – https://www.crunchbase.com
Seed Health: Unternehmenswebsite – https://www.seed.com
Yakult: Deutschland – https://www.yakult.de | USA – https://yakultusa.com/
Activia (Danone): Deutschland – https://www.activia.de | USA – https://www.activia.us.com/
The Microbiome Report (Podcast): https://www.microbiomelabs.com/microbiome-report-podcast/
Gut Talk (Podcast): https://www.guttalk.com/ (alternativ via Spotify/Apple Podcasts)
Wellness Index Weekly (Newsletter): https://www.culturalcapital.vc