Fermentation ist ein jahrtausendealtes Verfahren, bei dem Mikroorganismen wie Bakterien, Hefen oder Pilze Lebensmittel umwandeln und haltbar machen. Dabei werden Inhaltsstoffe – etwa Zucker – in andere Stoffe wie Milchsäure, Alkohol oder Essigsäure umgewandelt. Das Ergebnis: neue Aromen, verbesserte Bekömmlichkeit und oft auch eine längere Haltbarkeit.

Trotz dieser Alltäglichkeit wissen viele nicht, was sich hinter dem Begriff verbirgt. Eine nicht repräsentative Umfrage zeigt: Manche haben den Begriff noch nie gehört, andere können ihn nicht erklären (Appinio, Okt. 2025). Das bestätigt den Eindruck, dass Fermentation aktuell vor allem in einer kleinen, trendbewussten Nische stattfindet – einer Bubble, in der man über Kimchi und Kombucha spricht, während viele andere noch beim Joghurt stehen bleiben.

nicht repräsentative Umfrage auf Appinio (200 Teilnehmende)

Denn tatsächlich ist Fermentation alles andere als neu. Sie begleitet unseren Speiseplan seit Jahrhunderten – von Sauerteigbrot über Joghurt und Sojasauce bis hin zu Käse oder Salami. Weniger alltäglich, aber zunehmend beliebt, sind Produkte wie Kefir, Kimchi oder Kombucha – alle Ergebnisse eines Fermentationsprozesses.

Gesundheit als Treiber

Warum der Begriff „fermentiert“ dennoch plötzlich auf immer mehr Verpackungen auftaucht? Weil fermentierte Lebensmittel als gesund gelten – vor allem im Kontext des stark wachsenden Interesses an Darmgesundheit. Eine Umfrage in der App Appinio zeigt: Alle Befragten empfinden Produkte mit dem Zusatz „fermentiert“ als klaren Mehrwert (Appinio, Okt. 2025). Wie wiederum eine Tasewise-Umfrage zeigt, liegt das Werteversprechen noch weit hinter Begriffen wie “High-Protein oder “Sugar free”.

Does fermentation offer added value for customers in the snacking segment? (KI-gestützte Tastewise-Umfrage)

Ein Mehrwert, der wissenschaftlich allerdings nur teilweise belegt ist. Studien zeigen zwar positive Effekte fermentierter Milchprodukte – etwa eine Blutdrucksenkung durch probiotische Milch oder ein geringeres Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen bei Joghurt und Sauermilch. Ob diese Effekte aber tatsächlich auf lebende Mikroorganismen zurückzuführen sind, bleibt unklar. Laut der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) dürfen derzeit nur Rotschimmelreis und lebende Joghurtkulturen offiziell mit gesundheitlichen Vorteilen beworben werden.

Quelle: Yougov Consumer Index 09/25; aus LebensmittelPraxis

Belege hin oder her: Das Interesse wächst. Auf Google wird zunehmend nach Begriffen rund um Fermentation gesucht – auch, weil sich immer mehr Menschen selbst an fermentierten Lebensmitteln versuchen. Und auch aktuelle YouGov-Daten zeigen ein deutliches Wachstum fermetnierter Lebensmittel, zwar hinter Protein und Sports Nutrition, aber dennoch vor anderen relevanten Themen wie Healthy Snacking und Zuckerfrei.

Das Thema trifft einen Nerv zwischen Gesundheit, Natürlichkeit und handwerklicher Tradition.

Neue Konzepte aus der Startup-Welt

Fermentation erlebt ein Rebranding. Was früher nach Keller, Krauttopf und Geduld klang, wird heute als Hightech-Tool für Gesundheit, Nachhaltigkeit und Geschmack verkauft. Startups greifen das Prinzip auf – nicht, um Tradition zu konservieren, sondern um sie neu zu denken. Vom Snack bis zur Sauce, vom Pulver bis zur Pasta: Die Fermentationswelle rollt.

Fermentierte Snacks

In Österreich setzen gleich zwei Startups auf natürlich fermentierte Früchte und Wurzeln als innovative Snack-Alternative.

Fancy by Nature aus Graz kombiniert ganze Bio-Früchte mit den positiven Effekten guter Bakterien – pur oder mit Zartbitterschokolade überzogen. Live Forever Young aus Floing wiederum verbindet traditionelle Fermentationsverfahren mit modernen Qualitätsstandards und arbeitet eng mit indigenen Gemeinschaften aus Südostasien zusammen. Beide eint das Ziel, natürliche Fermentation ohne Zusatzstoffe in alltagstaugliche, gesunde Snackprodukte zu übersetzen.

Fermentierte Fertiggerichte

Miss Mineva’s aus Bielefeld setzt auf fermentierte Convenience-Produkte – insbesondere Suppenpulver auf Basis fermentierten Gemüses und Hülsenfrüchten. Gründerin Minever Zevker möchte berufstätigen Menschen schnelle, gesunde Mahlzeiten bieten – reich an Ballaststoffen, vegan und frei von Zusatzstoffen.

Fermentierte Würzmittel

Auch im Bereich Würzmittel gewinnt Fermentation an Bedeutung. Das steirische Startup Ferment-Tastic produziert unter der Leitung von Haubenkoch Peter Troißinger und den Brüdern Winkler-Hermaden regionale Bio-Würzsaucen auf Basis von Lupinen, Soja und weiteren europäischen Rohstoffen. re.garum aus Bozen verfolgt einen noch progressiveren Ansatz: Das Startup stellt natürliche Geschmackskonzentrate aus fermentierten Nebenprodukten wie Gemüseabschnitten, Molke oder Fischresten her – und kombiniert damit kulinarische Innovation mit Nachhaltigkeit und zirkulärer Wertschöpfung.

Fermentierte Pasta

Das vom Amerikaner Jordan Fainberg gegründete Fermentelli aus Washington überträgt Sauerteigkunst auf Pasta: 72 Stunden Fermentation für bessere Verträglichkeit, weniger Blähungen und intensiveren Geschmack – keine Pulverlösung, sondern echte Handwerkskunst.

Chancen und Herausforderungen

Fermentation ist einerseits uralt, andererseits brandaktuell. Ein Trend mit kulturellem Erbe und zugleich großem Aufklärungsbedarf. Viele wissen schlicht nicht, was Fermentation bedeutet – und selbst wenn, stößt der typische säuerliche Geschmack oft noch auf Skepsis.

Dennoch könnte “fermentiert” ein ernstzunehmendes Mehrwertversprechen werden, welches - getrieben vom Trend um Gut Health - nicht nur den Absatz steigern, sondern auch ganze Marken groß machen kann.