Weltweit werden jährlich rund 49 Mio. Tonnen Erdnüsse produziert. Ein signifikanter Teil davon fließt in die Erdnussbutter-Industrie. Allein in den USA erreicht die Kategorie einen Wert von 3,3 Mrd. USD. Kein Wunder: immerhin liegt die Haushaltsdurchdringung bei 90 %. Anders ausgedrückt: in fast jedem US-Haushalt gibt es Erdnussbutter, bei einem durchschnittlichen Pro-Kopf-Verbrauch von knapp 2 kg pro Jahr (USDA).

Und trotzdem ist diese Milliarden-Industrie kaum innoviert. Veränderungen passieren fast ausschließlich in kleinen Schritten. Laut NielsenIQ sind über 70 % der jährlichen Neueinführungen in reifen Kategorien nur leichte Reformulierungen – neue Größen, etwas weniger Zucker, ein zusätzlicher Crunch-Level. Ein Muster, dass wir auch in anderen Segmenten finden:

  • Joghurt: >60 % der Innovationen im Vanille-/Beeren-Spektrum.

  • Aufstriche: nur 7 % der Innovationen sind laut Mintel texturbasiert oder funktional.

  • Herzhafte Dips: 80 % der Innovationen rein geschmacksgetrieben (Euromonitor)

Innovation als unterschätzter Performance-Hebel

Eine Studie von Tate & Lyle, Future of Mouthfeel, zeigt deutlich, wie stark sich Innovation auf die Produkt-Performance auswirken kann:

  • +32 % höhere Kaufbereitschaft bei „unerwarteten Texturen“

  • +19 % höhere Markenpräferenz bei indulgenten Mundgefühlen

  • +26 % höhere Regalaufmerksamkeit bei aerierten (mit Luft aufgeschlagenen) oder zweischichtigen Produkten

Trotzdem blieb beim Einkauf von Erdnussbutter in den letzten Jahrzehnten oftmals nur die Wahl zwischen creamy oder crunchy.

Dass Bega in Australien 2024 eine „whipped peanut butter“ eingeführt hat, wirkt deshalb fast wie eine Provokation gegen die Branche – obwohl ähnliche Innovationen anderswo längst üblich sind:

  • Whipped Honey (Panacea Paris): starkes Social-Media-Wachstum, +40 % Preisaufschlag.

  • Kraft Philadelphia Whipped Cream Cheese: Marktanteilsgewinner im Breakfast-Segment.

  • Bonne Maman layered spreads: die laut eigenen Angaben mit hohen Wiederkaufsraten überzeugt

Solch texturelle Anpassungen sind kein Detail. Textur schafft neue Nutzungssituationen – und neue Erwartungen. Doch es geht auch anders.

Funktionale Aufladung: Neue Gründe, ein altes Produkt zu kaufen

Das der Markt für funktionale Lebensmittel extrem wächst, ist nichts neues. Lag er global 2023 noch bei 329,65 Milliarden US-Dollar, soll er bis 2030 auf 586,06 Milliarden US-Dollar anwachsen, was einer durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate (CAGR) von 8,6 % entspricht.

plixlife / kikibix

Erdnussbutter ist durch Polyphenole und gesündere Fette ein idealer Funktionsträger. Oftmals ist es vor allem der Zucker, der das Produkt zu einem ungesunden Produkt macht. Der Indische Market zeigt, wie stark eine solche funktionale Neubewertung wirken kann:

  • Marktwert 2017: 66 Mio. USD

  • Marktwert 2024: 157 Mio. USD

  • Prognose 2033: 293 Mio. USD

Geschmacksinnovation: Das größte ungenutzte Potenzial

Dabei geht es auch viel einfacher. Globale Geschmackswelten boomen. Egal vom Trends um Flavors wie „Swicy“, die erhöhte Nachfrage um Schärfe in Produkten oder Social-Media-geeignete und oftmals farbgebende Inhaltsstoffe wie Ube - neue Aromen sind gefragt wie nie. Auf der Suche nach Abwechslung legen Kund*innen nicht nur viele Kilometer zurück, sondern auch deutlich mehr Geld auf den Tresen.

Und Erdnussbutter? Dort hat man hauptsächlich die wahl zwischen Schokolade, Honig, oder Zimt.

Dabei zeigen einzelne Marken, wie viel mehr möglich ist: Freda’s aus Britannien hat ein ganzes Geschäftsmodell aus diversen Sorten Erdnussbutter erichtet.

Nerdy Nuts

Noch beeindruckender ist die Geschichte von Nerdy Nuts. Gegründet wurde das Unternehmen im Sommer 2019 von Craig Mount und Erika Peterson in Rapid City, South Dakota. Die Idee zu Nerdy Nuts entstand aus dem Wunsch der Gründer nach frischer Erdnussbutter, die in ihrer Region nicht erhältlich war. Sie begannen mit einem anfänglichen Investment von rund 2.500 US-Dollar und verkauften ihre ersten beiden Sorten, Honig geröstet und weiße Schokolade, auf einem lokalen Bauernmarkt. Den Durchbruch schaffte das Startup, in dem es anfing, Loaded Peanut Butter zu verkaufen, in einem ähnlichen Konzept wie es Ben & Jerry´s für Eiscreme erfand. Heute macht Nerdy Nuts zweistellige Millonenumsätze - mit Erdnussbutter, die eben mehr kann als creamy and crunchy.

Innovation entsteht nicht im Produkt – sondern im Blickwinkel

Peanut Butter zeigt exemplarisch, dass selbst tief etablierte Kategorien starken Spielraum haben, wenn man drei Hebel nutzt:

  1. Textur erweitert den Nutzungskontext.

  2. Funktion schafft Relevanz über das Produkt hinaus.

  3. Geschmacksvielfalt schafft kulturelle Anschlussfähigkeit.

Austauschbarkeit ist keine Kategorieeigenschaft. Sie ist das Ergebnis zu enger Denkmuster. Und genau diese Denkmuster lassen sich aufbrechen.