Die Barista- und Datenlinse von Oatly, das Regalgefühl von Whole Foods und der Langfrist-Kompass von Mintel. Gemeinsam zeichnen sie ein Bild von 2026, das von Faserfokus, globalen Aromen und bewusstem Genuss geprägt ist.
Oatly: „Future of Taste“ – fünf Thesen zur nächsten Getränkewelle
1. The Global Flavour Exchange: Oatly prognostiziert eine starke Verlagerung des Geschmackszentrums Richtung Ost- und Südostasien. Zutaten wie ube, pandan, calamansi oder yuzu prägen 2026 das westliche Beverage-Menü. Der kulturelle Austausch verläuft dabei nicht mehr linear – Trends wandern global hin und her, verlieren ihren Ursprung und gewinnen neue Bedeutungen. Matcha, einst Export aus Japan, wurde im Westen groß und kehrt nun als globales Lifestyle-Phänomen zurück.
2. Conscious Indulgence: „Bewusst genießen“ heißt: weniger Zucker, weniger Koffein, aber mehr Gefühl. Oatly spricht vom „Dawn of Decaf“ – entkoffeinierte Kaffees und milde Tees wie Hojicha erleben einen Boom, weil sie Ruhe und Achtsamkeit vermitteln. Zugleich experimentieren Konsument*innen mit natürlichen Süßungsmitteln wie Yuzu, Kamille oder Monkfruit. Geschmack wird zum Mittel emotionaler Selbstfürsorge – Gesundheit ist nicht mehr rein physisch, sondern auch psychisch definiert.
3. Fibre Has Entered the Chat: Was Protein in den 2020ern war, wird 2026 die Ballastfaser. TikTok-Trends wie „Fibermaxxing“ haben Faser neu positioniert: als Popkulturphänomen mit Wellness-Appeal. Der Boom präbiotischer Getränke (Olipop, Poppi) zeigt, dass Darmgesundheit massenfähig ist. Oatly sieht hierin keinen kurzfristigen Hype, sondern eine strukturelle Verschiebung – Ernährung wird „verdauungsbewusst“, fermentierte Drinks wie Tepache folgen auf dem Fuß.

CultureLab
4. Destination Drinks: Je globaler der Markt, desto größer das Bedürfnis nach lokalem Charakter. Signature-Drinks, die nur an einem bestimmten Ort erhältlich sind, werden zu kulturellem Kapital. Baristas verarbeiten zunehmend lokale Zutaten – etwa Lemon Myrtle in Australien oder Beeren aus skandinavischen Wäldern – um Authentizität und Regionalstolz zu zeigen. Der Trend reagiert auf die Austauschbarkeit globaler Caféketten: Herkunft wird zur neuen Währung.
5. The Future State of Matcha: Matcha bleibt präsent, erreicht aber seinen Höhepunkt. Nach Jahren exponentiellen Wachstums zeichnet sich laut Oatly eine leichte Sättigung ab – getrieben durch Angebotsengpässe und sinkende Suchvolumina. Dennoch sorgt die Ästhetik des grünen Pulvers und sein Wellness-Image für Stabilität. Parallel entstehen Nachfolger wie Hojicha oder Oolong, die Matcha in Funktion und Ritualität beerben könnten.
Whole Foods: Acht Beobachtungen aus der Regalperspektive
1. Better Freezer Options: Die Tiefkühltruhe wird zum Ort des guten Gewissens. Verbraucher*innen suchen hochwertige, global inspirierte Mahlzeiten, die Zeit sparen und dennoch frisch schmecken. Premiumisierung trifft Convenience – ein Markt, den Whole Foods 2026 als klar wachsend sieht.
2. Brighter Flavours Thanks to Vinegar: Essig erlebt ein Comeback – diesmal als komplexes Aromenelement. Von kleinen Manufakturen bis Mixology-Kultur: hochwertige, fermentierte Essige bringen Säure, Tiefe und Frische zugleich. Der Trend knüpft an den Gesundheitsdiskurs (Darmflora, Verdauung) an und verbindet ihn mit kulinarischer Experimentierfreude.
3. Instant Isn’t a Dirty Word: „Instant“ steht nicht länger für Billigware, sondern für smarte Convenience. Marken wie Aahana’s Power Bowls zeigen, dass Schnelligkeit und Nährwert kein Widerspruch sind. Der Trend folgt der Realität des Alltags – schnelle Mahlzeiten, aber bitte mit Anspruch.
4. Better-for-you Sweets: Süßes bleibt, aber bewusster. Hersteller reduzieren Zucker, setzen auf echte Früchte oder natürliche Süßungsmittel. Die neue Generation von Schokolade, Gummis und Aufstrichen verspricht Genuss ohne Reue – Ausdruck einer breiteren „Mindful Indulgence“-Bewegung.

Whole Foods Market
5. Good Food, Great Design: Verpackungen werden zu Lifestyle-Objekten. „Kitchen Couture“ nennt Whole Foods das: Produkte, die auf der Arbeitsplatte stehen dürfen, weil sie schön sind. Farbe, Typografie und Illustration ersetzen Minimalismus – Design wird zu einem Ausdruck emotionaler Aufwertung des Alltags.
6. Female Farmers Growing Food: 2026 ist das UN-Jahr der Frau in der Landwirtschaft – und Whole Foods nutzt das Thema, um die Arbeit weiblicher Landwirtinnen sichtbarer zu machen. Der Trend verbindet Nachhaltigkeit, Storytelling und soziale Gerechtigkeit. In Zeiten schrumpfender Familienbetriebe wird Diversität auf dem Acker zum Markenthema.
7. Flip to Fiber: Auch Whole Foods sieht Faser als nächste große Nährstoffbewegung. Prebiotische Limonaden, faserreiche Nudeln und Brotvarianten werden Standard. Der Shift ist funktional motiviert (Darmgesundheit), aber emotional aufgeladen – „Fiber“ wird zum Lifestyle.
8. New Fats on the Block: Nach Ghee und Butter rückt Rindertalg („Tallow“) in den Fokus. In Social Media als „ancestral fat“ gefeiert, trifft er auf den Trend zu ursprünglichen Zutaten und niedrig verarbeiteten Lebensmitteln. Das Revival alter Kochtechniken passt zur Rückbesinnung auf Herkunft und Authentizität.
Mintel: Langfristige Strömungen statt flüchtige Hypes
1. Maxxing Out / Diversity In: Der Begriff „Maxxing“ steht für den übermäßigen Fokus auf einzelne Nährstoffe – von „High Protein“ bis „Fibermaxxing“. Mintel erwartet eine Abkehr davon: Verbraucher*innen suchen künftig nach ausgewogeneren, vielfältigen Ernährungsweisen mit breiterem Nährstoffprofil und mehr pflanzlicher Diversität.
2. Retro Rejuvenation: Traditionelle, haltbare und fermentierte Lebensmittel erleben ein Revival. Der Trend ist kulturell motiviert – in Krisenzeiten vermitteln bekannte Konservierungs- und Kochmethoden Sicherheit, während moderne Verpackung und Storytelling sie zeitgemäß machen.
3. Intentionally Sensory: Sensorik wird gezielt eingesetzt, um Emotionen und Bedürfnisse zu steuern. Farbe, Textur und Klang werden nicht mehr zufällig gestaltet, sondern bewusst genutzt, um bestimmte Stimmungen (Ruhe, Energie, Fokus) zu erzeugen – besonders relevant für ältere Zielgruppen und GLP-1-User.

Mintel
4. Age Reframed: Das Altern wird neu definiert. Mintel erwartet mehr Produkte, die „healthy ageing“ fördern – von Gelenk- und Muskelunterstützung bis hin zu kognitiver Gesundheit. Marken sollen ältere Zielgruppen aktiv und positiv ansprechen, nicht defizitär.
5. Trust the Process(ed): Verarbeitete Lebensmittel werden rehabilitiert. Nach Jahren des Misstrauens gegen „ultra-processed foods“ (UPFs) verschiebt sich der Diskurs hin zu „purposeful processing“ – technologische Verarbeitung soll funktionale Vorteile (Nährstoffstabilität, Haltbarkeit, Sicherheit) bieten, nicht nur Bequemlichkeit.
6. Myth of Moderation: „Balance“ wird hinterfragt. Konsument*innen wollen nicht länger Kompromisse eingehen, sondern Produkte, die Extreme bedienen – ultra-clean oder decadent. Mintel sieht hier zwei Parallelströmungen: maximale Funktionalität auf der einen, kompromissloser Genuss auf der anderen Seite.
Fazit: Ein neues Zeitalter bewussten Hedonismus
Die Zukunft des Essens 2026 ist kein radikaler Bruch, sondern eine Verdichtung bestehender Strömungen. Globalisierung trifft auf Lokalisierung, Genuss auf Gesundheit, Ästhetik auf Funktion. Ballaststoffe werden sexy, Zucker smarter, Verpackungen emotionaler. Und während Oatly die kulturelle Seite des Geschmacks beschreibt, Whole Foods das Regal kartiert und Mintel die Makroebene skizziert, bleibt die zentrale Erkenntnis: Essen ist nicht länger nur Bedürfnisbefriedigung – sondern Identität in Bewegung.
